Dr. Wael Garnaoui

(Postdoc, Université de Sousse / Tunesien)

Wael Garnaoui promovierte in Psychoanalyse und Psychopathologie an der Université de Paris, ist klinischer Psychologe und hat einen Master-Abschluss in klinischer Psychologie der Université de Tunis, einen Forschungs-Master-Abschluss in Psychoanalyse und Interdisziplinarität an der Université Paris Diderot-7 und einen Master-Abschluss in Politikwissenschaften an der Université de Paris Dauphine. Seit Januar 2020 ist er Dozent für Soziologie an der Universität Le Havre in der Normandie. Er forscht über Migrationspolitik, Prozesse der Grenzziehung und deren Auswirkungen auf die politischen Subjektivitäten von Migrant*innen aus dem globalen Süden, insbesondere im Zusammenhang mit der irregulären Einwanderung von Tunesier*innen. Er gründete am 18. November 2021 ein Netzwerk von Forscher*innen zum Thema “Border Studies” am Zentrum für Anthropologie der Universität Sousse, wo er zwischen 2016 und 2017 Anthropologie unterrichtete. Seine im Februar 2021 verteidigte Dissertation trägt den Titel: Harga et désir d‘Occident au temps du djihad- Etude psychoanalystique des migrants clandestins tunisiens. Derzeit setzt er seine Forschung im Rahmen seines Postdocs am IFG Inequality &Mobility am MECAM fort.

Projekt: Inequality & Mobility

Consequences of immobility on the subjectivities of Tunisian youth

Meine Forschung dreht sich um die Prozesse der Grenzziehung und deren Auswirkungen auf die politischen Subjektivitäten von Migrant*innen aus dem globalen Süden, insbesondere im Kontext der irregulären Einwanderung von Tunesier*innen. Während meines Postdoc-Aufenthaltes am MECAM habe ich meine Beobachtungen über die neue Generation von Instrumenten zur Unterdrückung und Grenzziehung der Körper und Wünsche der Bevölkerung in den Herkunftsländern fortgesetzt; Folgen der Politik der Europäischen Union zur Externalisierung der Grenzen.

Mein Forschungsprojekt ist grundlegend politisch: Es geht um das Recht auf Freizügigkeit und damit verbunden um die Absurdität von Grenzen. Eine Ungleichheit der Freizügigkeit, die im Zeitalter der Visa und der Abschiebungen an den Grenzen alltäglich geworden ist, und die an sich abwegig ist. Diese Ungleichheit der Rechte macht die Subjekte paradoxerweise illegal: Sie wollen zirkulieren. Sie führt zu einer echten internationalen Apartheid der Freizügigkeit und begründet einen systemischen Rassismus, der den Beziehungen zwischen dem Norden und dem Globalen Süden eigen ist. Die Kolonisierung, die erzwungene Vertreibung von Bevölkerungen, die Wirtschaftsmigration, die von Europa provoziert, dann eingedämmt und verboten wurde, und das kapitalistische, dann neoliberale System, das auf dieser Ungleichheit in der Zirkulation beruht, setzen die Subjekte des globalen Nordens und die des globalen Südens auf unterschiedliche Weise der Verwundbarkeit aus.

Die Idee meines Aufenthaltes ist es, eine Perspektive zu entwickeln, die auf dem Wissen des Globalen Südens basiert, und zwar durch die Worte von Menschen, die die Gewalt der Migrationspolitik erfahren haben, wie etwa abgeschobene Migrant*innen und Familien von Verschwundenen. Insbesondere untersuchte ich die Auswirkungen der “erzwungenen/freiwilligen Rückkehr” oder des Verschwindens von Migrant*innen auf ihre Familien und auf ihr wirtschaftliches und soziales Umfeld in ihren Herkunftsländern.

Während dieses Aufenthalts habe ich auch eine theoretische Perspektive entwickelt, indem ich ein Dutzend tunesische und internationale Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen zusammenbrachte, um eine Forschungsgruppe “Border Studies” am Zentrum für Anthropologie an der Fakultät für Literatur und Geisteswissenschaften in Sousse zu gründen. Ziel dieser Gruppe ist es, einen alternativen Ansatz für Grenzstudien zu entwickeln, der auf der Produktion von Wissen über den “Globalen Süden” basiert.

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